Die 7. „Stadt Nach Acht“ findet am 24./25.10. unter dem Motto Stadt.Land.Clubs in Augsburg statt
Verfasst von Neue Szene am 24.10.2024
Interview mit Jürgen Enninger, Sebastian Karner und Marc Wohlrabe
Fußball zwischen Malta und den Färöer Inseln. Kai Sturzenhecker ist FCA-Fan und Groundhopper
Kai, du bist leidenschaftlicher Fan des FC Augsburg. Kannst du dich noch an dein erstes Stadionerlebnis erinnern?
Das war 2002 im Münchner Olympiastadion, FC Bayern gegen VfL Bochum. Die Telekom hat im Stadion so aufblasbare pinke Daumen verteilt, ich war sieben Jahre alt und fand das damals aufregender als das Spiel selbst (lacht). Die Leidenschaft zum Fußball kam erst mit dem FCA.
Wann ging es so richtig los?
Drei Jahre später beim berühmt-berüchtigten Spiel beim verpassten Aufstieg in die 2. Bundesliga, FCA gegen Jahn Regensburg. Ich war von meinen Stadioneindrücken so überwältigt, dass ich gar nicht verstehen konnte, warum alle Leute nach dem Spiel um mich herum so niedergeschlagen waren, bis mein Vater es mir erklärt hat. Jedenfalls war das die Initialzündung und danach gab es kein Halten mehr.
Der FCA ist dein Lieblingsclub, bist du Allesfahrer?
Früher schon, da bin ich immer auf 30-32 Saisonspiele gekommen, heute überlege ich mir schon, ob ich bei Minus zehn Grad auswärts nach Wolfsburg fahre. Aber 25 FCA-Partien kommen immer zusammen.
Aber deine Fußballleidenschaft geht weit über den FCA hinaus. Du bist Groundhopper, befolgst du auch die Regeln?
Ja, mach ich. Man muss pro Spiel mindestens 45 Minuten gesehen haben und für jedes Land gibt es einen Länderpunkt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man jetzt nach Österreich, Nigeria oder Australien reist.
Wikipedia beschreibt einen Groundhopper als jemanden, der Fußballspiele sammelt. Bist du ein Sammler oder geht es dir in erster Linie um das Feeling?
Beides, der Mensch ist Jäger und Sammler, ich sammle Fußballspiele und Stadien, aber auch Stadionbecher, Eintrittskarten und match-worn Trikots. Aber nur von Spielern, die beim FCA spielen oder gespielt haben.
Ich denke mal, dass für dein Hobby so ziemlich dein gesamter Urlaub drauf geht, oder?
Ein Großteil jedenfalls. Ich arbeite als Logistiker bei einer Spedition in der Nachtschicht und habe samstags um 6 Uhr Feierabend und dann bis Montagabend frei. Da kann man natürlich super das Wochenende für Fußball nutzen.
Was kickt dich mehr, das Spiel oder die Stadien?
Definitiv beides, ich habe während der Pandemie gemerkt, wie sehr mir dieses Stadionerlebnis gefehlt hat. Zum Glück hat Österreich den Lockdown früher beendet, ich war damals jedes Wochenende zwischen Wien und Bregenz unterwegs.
Wenn ich ein neues Stadion betrete, dann kribbelt es. Geht es dir da ähnlich oder ist das inzwischen business as usual?
Bei großen Stadien ist das definitiv noch so, der erste Blick ist immer ein Wow-Erlebnis. Aber ich stehe generell mehr auf alte und traditionsreiche Spielstätten, die neuen Arenen sehen mir alle zu gleich aus und strahlen meist nur wenig Flair aus.
Stadionbesuche können manchmal auch gefährlich sein. Bist du schon mal in eine kritische Situation hineingeschlittert?
Es hält sich in Grenzen, aber es passiert immer wieder mal. In Halle, Zwickau oder Magdeburg wird man schon manchmal aufgefordert, etwas Geld abzudrücken. Entweder man zahlt oder man bekommt auf die Fresse. In Polen haben wir mal ein Derby in Warschau besucht, nach dem Spiel herrschte regelrecht Krieg um das Stadion herum.
Welche Länder hast du schon bereist?
Malta, Zypern, Litauen, in Großbritannien war ich schon sechs oder sieben Mal. Highlight waren die Färöer Inseln, die Landschaft ist unglaublich schön. Ich bin schon jemand, der nicht nur die Spiele konsumiert, ich versuche auch die Sehenswürdigkeiten mitzunehmen. Als wir in Zypern waren, gelang es uns im nördlichen türkischen Teil ein Spiel zu sehen. Das war schon auch ein besonderer Länderpunkt.
Wie viele Spiele hast du schon gesehen?
912 in 25 Ländern (Stand 08.08.2024)
912? Wow, das ist eine Menge Holz. Bist du bei deinen Trips alleine unterwegs?
Zu 80 % mit Kumpels. Mein Ziel ist es, in jedem Land der Erde mindestens ein Spiel gesehen zu haben. Keine Ahnung ob es klappt, aber man braucht Ziele.
Die Boxing-Days in England zwischen Weihnachten und Heilig Drei König sind das Nonplusultra für Groundhopper…
Ja, definitiv, es ist unglaublich, wie viele Spiele da stattfinden. Das Problem ist aber, dass die Ticketpreise in England sehr teuer sind und oft erst bei 55 Euro beginnen.
Schreckt dich die Premiere-League wegen der Kommerzialisierung nicht ab?
Nein, da fesselt mich einfach der Fußball zu sehr, dort wird viel schneller gespielt, die eigenen Fans pfeifen den Torhüter aus, wenn er auf Zeit spielt. Die Briten wollen immer Vollgasspiele sehen.
Du bist auch viel in den unteren Ligen unterwegs und schaust dir beispielsweise Türk Gücü Ulm gegen TSV Blaustein oder SV Thierhaupten gegen TSV Steppach an. Wo liegt denn da der Kick?
Ich verpasse auch ungern die Spiele meines Heimatclubs SV Nordendorf. Es ist schon eine kleine Sucht und eine Flucht aus dem Alltag. Ich kann da super runterkommen und dabei entspannen. Ich mag unterklassigen Fußball, weil das einfach ehrlicher Fußball und ein sehr guter Ausgleich zum Profifußball ist.
Wie recherchiert man Spiele im Vorfeld. Kicker-Matchkalender?
Man gibt in der Groundhopper-App seinen Standpunkt ein und die zeigt dann alle Spiele in einem bestimmten Radius an. Im Januar waren wir auf dem Weg nach Kerkrade in Holland und während der Fahrt bekamen wir die Nachricht, dass das Match abgesagt wurde. Als Alternative bekamen wir einige Kicks in Belgien angezeigt. Vor 20 Jahren muss das für die Groundhopper noch krass gewesen sein, so ohne App und Navi.
Die Fußballpause muss für dich grausam sein.
Nicht wirklich, denn in Skandinavien wird im Sommer durchgespielt, man findet im Prinzip immer eine Gelegenheit und gerade in der Sommerpause bieten sich Auslandstrips besonders gut an.
Ich war auch schon ein paar Mal in England oder Schottland unterwegs. Ich fand die Stimmung dort meist enttäuschend.
Ja, das stimmt, das einzige was die Engländer können ist feiern, also wenn ein Tor fällt. Dann gehen sie wirklich voll ab. Und pöbeln, das haben sie auch voll drauf (lacht). Einer der wenigen Clubs mit Ultrakultur ist Crystal Palace, ein kleiner Haufen mit 50 Mann sorgt dort für guten Support. Man muss schon sagen, dass die ersten zwei Ligen in Deutschland das Nonplusultra in Europa sind. Immer volle Stadien und fast durchgehend super Stimmung.
Du bist jetzt 29 Jahre alt. Bist du mit 49 auch noch auf Achse?
Wie gesagt, ich habe große Ziele. Im Moment kann ich es mir sehr gut vorstellen, aber wer weiß schon, was in 20 Jahren los ist.
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