Stadt nach Acht Konferenz diskutiert über Zukunft der Nachtszene

Die Nächte feiern wie sie fallen

Die siebte „Stadt Nach Acht“ findet am 24./25. Oktober unter dem Motto Stadt.Land.Clubs in Augsburg statt.

Über 100 Speaker:innen aus den Bereichen Nachtkultur, Stadtentwicklung, Nachtökonomie sowie Gesundheit und Sicherheit diskutieren ein Wochenende lang über das Nachtleben und die Zukunft der Clubs jenseits der großen Metropolen. Wir haben hierzu den Kurator der Stadt Nach Acht Marc Wohlrabe (Vorstand der LiveMusikKommission e.V., dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.), Jürgen Enninger, Referent für Kultur, Welterbe und Sport in Augsburg sowie Clubbetreiber Sebastian Karner (Vorstand der Club- und Kulturkommission Augsburg e.V. (CUKK)) getroffen. Im Interview geben sie uns Einblicke in die aktuelle Problematik der Augsburger Nachtwirtschaft und die Potenziale der Stadt Nach Acht.
Von Tanja Moosrainer

Die Konferenz ist zum ersten Mal in einer bayerischen Stadt. In den letzten zwei Jahren fand sie in Berlin und Dortmund statt. Wie kam es dazu, dass sie in diesem Jahr in Augsburg gastiert?
Marc: Die Augsburger waren aus meiner Sicht als Co-Veranstalter in unserem Bundesverband die mit Abstand aktivsten und haben sich jahrelange für die Veranstaltung interessiert. Das Nachtleben findet überall statt, nicht nur in Metropolen, deshalb war es für uns naheliegend, hier mit Augsburg als Mittelstadt ins Gespräch zu kommen.
Jürgen: Wir hatten auch aus politischer Perspektive Bedarf, das Thema Nachtökonomie vertieft zu betrachten, uns anzusehen, wie Großstädte in der Nähe von Millionenmetropolen kulturpolitisch verhandelt werden und wie Mittelstädte im Kontext der Nachtökonomie dastehen. Außerdem haben wir eine starke CUKK, die zurecht einfordert, dass wir uns mit diesen Themen beschäftigen.
Sebastian: Es ist auf jeden Fall eine kleine Sensation, dass die Konferenz nach Augsburg kommt, so ein bisschen wie der FCA, der europäisch spielt (lacht).

Die Größe der Städte unterscheidet sich also von denen der bisherigen Konferenzen.
Sebastian: Wir können Augsburg nicht mit Studien, die sich auf Millionenmetropolen beziehen vergleichen, wir brauchen einen neuen Blick auf uns und andere Städte dieser Größe.
Marc: Der Stadt-Land-Kontext muss eine stärkere Berücksichtigung finden und Protagonist:innen, die hier mitgestalten, sollen zu Wort kommen. Wir brauchen eine lebendige CUKK, die Hand in Hand mit Politik und Verwaltung geht.
Jürgen: Die Spezifika in kleineren Städten sind völlig andere als in Millionenmetropolen, Klubkultur findet hier auf einem anderen Niveau statt und darum geht es.

Was sind aktuell die größten Probleme oder Hürden der nächtlichen Kultur- und Kreativwirtschaft in Augsburg?
Sebastian: Ganz klar, die Ökonomie. Nach einem wahnsinnigen Hype nach der Corona-Pandemie ist es super eng geworden. Das Gästeinteresse geht stark zurück gepaart mit steigenden Kosten, der Inflation und hohen Künstlergagen, das ist schon verrückt. Das Rad wird immer schneller und die Marge kleiner. Gutes Programm zu machen und dabei Geld zu verdienen ist aktuell extrem herausfordernd. So schwierig wie noch nie.

Und dann kommen noch politische Einschränkungen dazu, wie z.B. die Lärmschutznovelle, die Kultur-Emissionen mit Industrielärm gleichsetzt und Clubs damit nicht explizit schützt.
Marc: Genau. Die Bundesländer orientieren sich mit ihren Fachleuten an der Bundesgesetzgebung, der sog. TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm). Als wissenschaftliche Forschungsinstanz ist hierfür das Umweltbundesamt in Dessau zuständig. Vor etwa einem Jahr haben wir erstmals den Zuständigen für Schallschutz getroffen und über Schallschutz im Kontext des Nachtlebens gesprochen.
Jürgen: Es ist wichtig, dass wir genau solche Themen auch auf der Konferenz angehen. Leider gehören ein langer Sensibilisierungsprozess und Atmen dazu und es vergehen oftmals Jahre, um auf Bundesebene Forschungsprojekte der Nachtökonomie- und Kultur zu verhandeln.
Marc: Unsere Lebensrealitäten haben sich auch drastisch verändert. Wir hatten den bislang wärmsten aufgezeichneten Sommer. Die Leute gehen abends nicht mehr nachhause und schauen Netflix, die Zeiten sind vorbei. Die Realität sind sich aufheizende Städte und junge Menschen, die sich nach 22 Uhr zu Musik treffen und geschützte Räume brauchen.

Warum sind Clubs und das Nachtleben so wichtig und schützenswert? Welche Funktion haben Clubs für uns Menschen?
Sebastian: Clubs sind geschützte Räume zum Feiern, bei uns gibt es Gesetze, Security und wir tragen die Verantwortung, dass es den Menschen, die zu uns kommen, gut geht. In Clubs kann man Musik so unmittelbar erleben und nah dran sein wie sonst nirgends. Du kannst Leute kennenlernen, Freundschaften schließen. Das echte soziale Leben.
Jürgen: Clubs haben eine wahnsinnige Lernfunktion: Junge Menschen bekommen ein Gefühl dafür, wie man miteinander umgeht, es bilden sich Geschmäcker und eigene Peergruppen, innerhalb derer Selbstbewusstsein aufgebaut wird. Corona hat wie durch ein Prismenglas all diese Mechanismen nochmal verstärkt und gezeigt, es geht nicht ohne Clubs. Wir müssen das als Verwaltung unterstützen, sonst nehmen wir unsere Verantwortung im Gesamtgefüge der Stadt nicht wahr.

Für wen ist die Konferenz gedacht?
Marc: Wir hoffen, dass viele Leute aus Augsburg und Bayern kommen, da es bei der Konferenz um den regionalen Schwerpunkt für Bayern geht. Gleichzeitig natürlich Menschen aus anderen Bundesländern, aus weiteren Mittelstädten wie z.B. Mannheim, Leipzig oder Erfurt, mit denen man sich austauschen kann. Es geht nicht darum, maximal viele Leute einzusammeln, sondern die, die etwas bewegen.
Jürgen: Niedrigschwellige Fachkonferenz trifft es wohl am besten.
Sebastian: Ich wünsche mir, dass viele unserer Mitglieder kommen und Menschen, die sich für die Themen interessieren und selbst an ihnen abarbeiten. Wir werben damit, dass Vernetzung wichtig ist und wir mit einer Stimme sprechen. Am Ende sitzen wir alle im selben Boot, deshalb ist der geschlossene Auftritt als Community so wichtig.

Bei so einem Event fällt Unmengen an Organisation und Planung an. Ihr könnt Support gebrauchen, oder?
Marc: Ja. Wir haben ein Volunteering-Programm. Es gibt genügend Positionen, wo wir Unterstützung benötigen, im Gegenzug hat man Zugang zum kompletten Programm und kann sich alles anschauen.

Worauf freut ihr euch besonders auf der Konferenz?
Marc: Die Menschen tun das im Nachtleben was sie tun und wir stehen dem offen gegenüber. Soll heißen, es lässt sich nicht alles allein mit Ordnungsmitteln lösen, es braucht Aufklärung und Hilfestellung. In Berlin haben wir da schon einiges ausprobiert und das wollen wir auch in Bayern anpeilen. Das sind so Themen, die wir auf der Konferenz beleuchten werden und ich freue mich auf den Austausch dazu. Bayern ist ja auch die Heimat des flüssigen Genussmittels, auch das wird natürlich ein Thema sein.
Sebastian: Ich freue mich auf einige Panels, insbesondere zu den Schwerpunkten Clubfestival und Lärmschutz, weil ich da thematisch selber mittendrin bin mit meinen Läden. Auf die Gespräche davor und danach freue ich mich ganz besonders, der Austausch mit Kolleg:innen bundesweit ist sehr inspirierend, einfach mal zu hören, wie man z.B. in Osnabrück arbeitet.
Jürgen: Für mich ist es ein Familientreffen und auf persönlicher Ebene sehr schön, viele bekannte Gesichter wiederzutreffen, mit denen man vor Jahren schon zusammengearbeitet hat. Auf der anderen Seite geht es darum sich gegenseitig den Rücken zu stärken und wertvolle Erfahrungen auszutauschen.

Wir haben auf jeden Fall eine tolle Nacht-Szene in Augsburg, so viel ist klar. Worauf können wir stolz sein?
Marc: Ich kann dazu auch was von außen sagen: Die Möglichkeiten und Perspektiven, die z.B. das Gaswerkgelände hat, finde ich sehr bemerkenswert. Es ist toll, dass es so unterschiedliche Locations mit diversem Programm gibt. Meine Lieblingslocation ist die kleine Soho Stage – die liefert noch richtig coolen Underground und man läuft sich da schnell mal über den Weg. Ich mag diese kurzen Wege sehr, für mich aus Berlin ist das nicht selbstverständlich, das schätze ich an Augsburg wirklich sehr.
Sebastian: In Augsburg passiert sehr viel draußen, das ist toll und wird auch künftig noch mehr werden. Es hat sich manifestiert, dass man draußen feiern, tanzen und Musik hören will. Ich hoffe, dass es in Zukunft analog zum Modular ein Clubfestival gibt, so dass auch zur kälteren Jahreszeit ein musikalisches Festival stattfindet, dezentral auf viele außergewöhnliche Spielstätten verteilt.
Jürgen: Die Dichte und Vielfalt der Clubs und Nachtkultur auf engstem Raum, wie man sie z.B. in der Ludwigs- oder Maxstraße hat, ist in Augsburg schon bemerkenswert und auch die Vielfalt der musikalischen Ausdrucksformen und verschiedenen Szenen. Das ist auf jeden Fall eine starke Leistung und eine besondere Qualität für Augsburg. Es gibt viel zu entdecken, weil man auf kurzen Wegen schnell neue Impulse erfährt, die man in einer Millionenmetropole gar nicht bekommen würde, weil man erst an das andere Ende der Stadt fahren müsste.
Marc: Oh ja! Die Menge der Auswahl im Kontext der Möglichkeiten der Stadt ist in Augsburg im deutschen Vergleich außergewöhnlich. Damit hat Augsburg auf jeden Fall eine Vorbildfunktion. (tm)

Bildnachweis: Tanja Moosrainer

Stadt nach Acht: Das Programm in der Übersicht

23.10.2024
Workshop Jugendbeteiligung im Vorfeld – Wie stellt sich Augsburgs Jugend das Nachtleben der Zukunft vor? (Workshop)
Ort: YoloToast
Uhrzeit: 18:00 bis 21:00 Uhr

24.10.2024
Opening Session!
Ort: Glaspalast H2 Museum
Uhrzeit: 10:00 bis 12:00 Uhr

Restriktionen im Nachtleben in Bayern
Ort: City Club
Uhrzeit: 13:30 bis 15:00 Uhr

Live & Let Die: Clubkultur unter Druck
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 13:30 bis 15:00 Uhr

Nachtkultur – Ein Schnittstellenthema in der Verwaltung
Ort: 100HZ Club
Uhrzeit: 13:30 bis 15:00 Uhr

Arena der Popkultur* Präsentiert von der Initiative Musik
Ort: Kleine Zwischenzeit Annastraße
Uhrzeit: 13:30 bis 15:00 Uhr

Drugchecking
Ort: City Club

#clubsareculture Vol. 1: Die (Novelle der) BauNVO
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 15:30 bis 17:00 Uhr

European Perspectives: Spain & France
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 15:30 bis 17:00 Uhr

Neue Konzepte zur Diversität Vol. 1: Safer Spaces & Awareness * Präsentiert von Stadt Augsburg
Ort: City Club
Uhrzeit: 15:30 bis 17:00 Uhr

Codename: Cannabis
Ort: 100 HZ Club
Uhrzeit: 17:30 bis 19:00 Uhr

Clubkultur Fragt Politik: Ein parlamentarisches Forum für Bayern? *Präsentiert von VPBy, VDMK, CUKK und Stadt Augsburg
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 17:30 bis 19:00 Uhr

Clubs und Kollektive – Gemeinsam für die Nacht (Workshop)
Ort: Yolo Toast
Uhrzeit: 17:30 bis 19:00 Uhr

Besichtigung Gaswerk (Exkursion)
Ort: Gaswerk Augsburg (Shuttle über SWAXI mit Konferenzticket inklusive)
Uhrzeit: 20:00 bis 22:00 Uhr

Popkulturelle Brandmauern* Präsentiert von Nürnberg Pop Festival, Listen To Munich, CUKK und Stadt Augsburg
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 20:15 bis 22:00 Uhr

25.10.2024
Castles and Fortresses as party locations
Ort: City Club
Uhrzeit: 09:30 bis 11:00 Uhr

Nachtstadt Augsburg* Präsentiert von Stadt Augsburg
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 09:30 bis 11:00 Uhr
Was findet statt: Die nächtliche Stadtentwicklung ist eine zentrale Handlungsmaxime für die Stadt- bzw. Stadtteilentwicklung. Kultur und

Zahlen bitte!
Ort: 100HZ Club
Uhrzeit: 09:30 bis 11:00 Uhr

Zahlen bitte, Augsburg! *Präsentiert von Stadt Augsburg
Ort: 100 HZ Club

Clubs auf dem Lande
Ort: City Club
Uhrzeit: 11:30 bis 13:00 Uhr

Neue Konzepte zur Diversität Vol. 2: Inklusion *Präsentiert von Stadt Augsburg
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 11:30 bis 13:00 Uhr

POP Lobby
Ort: Zwischenzeit
Uhrzeit: 11:30 bis 13:00 Uhr

FLINTA+ Mentoring Programm: Get Togehter (invitation only)
Ort: Yolo Toast
Uhrzeit: 14:00 bis 15:30 Uhr

Ahoi – Clubkultur voraus
Ort: City Club
Uhrzeit: 14:00 bis 15:30 Uhr

#clubsareculture Vol 2: Kulturschall vs. Lärm
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 14:00 bis 15:30 Uhr

Stadt, Land – Clubs: Augsburg Pop City? *Präsentiert von Stadt Augsburg
Ort: 100 HZ Club
Uhrzeit: 14:00 bis 15:30 Uhr

Der 80 Millionen Dollar Plan * Präsentiert von Initiative Musik
Ort: Zwischenzeit
Uhrzeit: 14:00 bis 15:30 Uhr

Show & Tell: Nacht Pionier*innen
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 16:00 bis 17:30 Uhr

Das Musikfestival – Ein Auslaufmodell?
Ort: Zwischenzeit
Uhrzeit: 16:00 bis 17:30 Uhr

Gastronomie & Nachtökonomie als Instrument der Stadtentwicklung
Ort: 100 HZ Club
Uhrzeit: 16:00 bis 17:30 Uhr

KI im Nachtleben* Präsentiert von Stadt Augsburg
Ort: City Club
Uhrzeit: 16:00 bis 17:30 Uhr

Clossing Session!
Ort: Musikkantine
Uhrzeit: 18:00 bis 18:30 Uhr

Ein Clubfestival in Augsburg – Wie kann dies erfolgreich funktionieren? *Präsentiert von CUKK und Stadt Augsburg
Ort: Yolo Toast
Uhrzeit: 19:30 bis 21:00 Uhr

Das ausführliche Programm gib es hier: www.stadt-nach-acht.de

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