Interview: Arnd Zeigler oder "Immer Glück ist Können"
Verfasst von Neue Szene am 15.01.2025
Am 23.01. gastiert der Fußballentertainer in der Stadthalle Gersthofen
Paul Katoe - der Lebenskünstler im Interview
Paul Katoe beschreibt sich selbst nicht als Künstler, auch wenn er das in den Augen vieler ist. Unzählige, winzige Punkte und Linien verbinden sich in seinen Werken zu Bildern und Geschichten. Pointilismus würde seinem Stil wohl fachlich gesehen am nächsten kommen, aber Paul denkt nicht in Kategorien, mag keine festen Vorgaben. Das zeigt sich auch im Gespräch in seinem Atelier und Zuhause, in dem er mich eintauchen lässt in seine grenzenlose Welt.
Von Tanja Moosrainer
Paul, wo hast du deine Wurzeln und wie kommst du zur Kunst?
Mein Vater ist Franzose, meine Mutter kommt aus dem Libanon. Ich hatte im Krieg (der Konflikt zwischen Israel und Palestina, der seit 1947 anhält) einen Unfall und konnte danach als Linkshänder nicht mehr mit der linken Hand schreiben. Um mit der rechten Hand schreiben zu lernen, habe ich damals angefangen, zu zeichnen. Ein Viereck, ein Kreis, dann Bäume, ganz simpel. Weil es im Libanon keine Krankenversicherung gibt, bin ich ein Jahr nach Frankreich und dann nach Barcelona. Beide Knie waren kaputt, der Knochen in meinem linken Arm ist explodiert.
Deshalb sprichst du so viele Sprachen.
Ich spreche Arabisch, Spanisch, Katalanisch, Italienisch, Englisch und Deutsch. Deutsch ist die schwerste Sprache (lacht).
Und aus Kreisen und Bäumen wurde bald sehr viel mehr?
Ich saß viele Jahre Stunden lang in Cafés und habe geschrieben und gezeichnet. Ich hatte keine Inspiration, habe einfach gemacht. Mit 30 kam ich nach Augsburg. Immer wieder haben mich Menschen angesprochen und mir gesagt, dass das schön ist, was ich zeichne. Da habe ich angefangen Skizzenbücher zu entwerfen.
Aktuell arbeitest du als Barista im Maximilianmuseum. Wie läuft die Arbeit mit der Kunst?
Ich war bis Corona mit meiner Kunst selbstständig. Ich habe sehr gut bei Lisa im Kätchens verkauft, es gab Aufträge und Bestellungen ohne Ende. Ein Kunstsammler hat auf einer Ausstellung im Glaspalast alle Bilder gekauft. Dann ging es bergab. Die zweite Ausgangssperre kam, das Geld wurde knapp und ich wurde krank. Ich bekam taube Füße und Hände, die Diagnose war MS. Ich dachte, ich kann so nicht mehr leben.
Wie geht es dir heute damit?
Ich lebe inzwischen sehr gut damit, ich erkenne die Anzeichen für Schübe und kann es mit Medikamenten gut behandeln. Dafür brauche ich aber ein regelmäßiges Einkommen, damit ich meine Rechnungen und Miete zahlen kann. Ich mag die Arbeit im Maxmuseum sehr. Es ist sehr ruhig im Café und ich kann nebenbei zeichnen, wenn es die Zeit zulässt. Seit der Karstadt geschlossen hat, kommen immer mehr ältere Menschen vorbei, die mögen mich. Das Café ist die Nummer 1 Renter:innen-Techno-Party (lacht).
Was bedeutet der Ausdruck „palaeolithic linguistic“ für dich, der in deinem Instagram-Profil auftaucht?
Wir stammen von den Steinzeitmenschen ab, wir haben deren visuelle Sprache übernommen und weiterentwickelt. Zeichen waren die erste Sprache der Welt. Ich spreche zwar viele Sprachen, doch am besten kann ich mich nicht mit Wörtern ausdrücken, sondern mit Zeichnen. Das, was du jetzt von mir hörst, ist die deutsche Version von Paul, das ist nur ein Teil von mir, bei der Übersetzung geht aber Vieles verloren. Beim Zeichnen musst du nicht übersetzen. Ich bin kein Künstler, die Welt braucht für alles Kategorien. Was ich mache, ist zeichnen und das ist eine Sprache. Zeichnen ist intuitiv, das kommt von den Frauen. Männer waren in der Steinzeit nur haarige, starke Wesen, die jagten, aber Frauen hatten die Intuition und das Gewissen, für mich sind sie entwickelte Männer.
Wie fühlst du dich beim Zeichnen?
Es fühlt sich meditativ an und ich denke dabei viel. Kennst du das, wenn du ein Buch liest und konzentriert bist, aber trotzdem an etwas anderes denkst? Wenn ich zeichne, denke ich an alles außer Zeichnen. Ich kann abschweifen wohin ich möchte. Zeit existiert nicht mehr. Du bist mit dir selbst, das sind Menschen generell viel zu selten. Meine Zeichnungen kommen nicht nur von mir, sondern von allen Menschen in meinem Leben, die mich unterstützt haben. Ich bin nur die Hand, die auf Papier zeichnet. Ich bin nicht der Künstler, das ist eine Zusammenarbeit.
Inwiefern hat dich der Krieg bis heute beeinflusst?
Was du im Krieg erlebst, verändert deine Wahrnehmung für immer, du hörst dein eigenes Herz schlagen vor Angst. Der Krieg hat einen Männerhass in mir entwickelt, ich habe eine Allergie gegen Machotypen. Ich kann nicht mehr feiern gehen und zusehen wie besoffene Männer mit Frauen umgehen. Ich fühle mich sofort wieder wie der Soldat mit 16 und ich will raus aus dieser Energie. Wenn du den Krieg kennst, lernst du wie die Politik und der Mensch funktionieren. Ich glaube auch nicht mehr an Gott, ich bin christlich erzogen worden.
Hast du Angst vor der aktuellen politischen Lage, vor einem fortschreitenden politischen Rechtsruck und dass die Demokratie den Bach runter geht?
Ich habe null Angst. Die AfD schürt nur Hass und wird die Demokratie nicht abschaffen, dafür mahlen die bürokratischen Mühlen viel zu langsam. An einem AfD Stand habe ich einen von denen verarscht, ihm gesagt, dass ich Ausländer bin und mich selbst abschiebe. Damit kam der gar nicht klar, es war total lächerlich.
Auf Instagram hast du einen Post gemacht, der den Ausdruck „Rewind Digital 21.05.“ enthält. Was hat es damit auf sich? Ich konnte mir keinen Reim daraus machen.
Der 21. Mai ist mein Geburtstag. Von diesem Moment an gehe ich gegen die Zeit, die Zeit ist nur vom Kalender vorgegeben. Ich feiere den Tag nicht und mag diese Vorgabe nicht. Man kann mir das ganze Jahr etwas schenken. Rewind oder rewire auch deshalb, weil ich die Chronologie meiner Posts immer wieder verändere. Ich nehme manchmal alte Posts und verändere sie oder lösche sie, so wie ich auch alte Bilder von mir übermale und Neues entstehen lasse.
Ich dachte schon, der Post lässt Rückschlüsse auf eine Ausstellung zu…
Ich mache Ausstellungen, aber ich lade niemanden ein, die sind nur für mich. Ich habe auch kein Portfolio, weil ich mich ständig verändere. Ich bin heute nicht mehr der Mensch, der ich vor ein paar Jahren war.
Und wenn ich etwas von dir kaufen will?
Ich habe neulich einen Post gemacht, weil ich acht Bilder verkaufen wollte. Am Ende wurden es 51, weil ich so viele Anfragen bekommen habe. Wenn die Menschen etwas wollen, finden sie einen Weg. (tm)
Fotos: Barbara Hibler
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