Augsburg und seine Brunnen

Diese Skandale stecken hinter Augsburger Brunnenfiguren

Augsburg und seine Brunnen – was heute als Aushängeschild in keinem Reiseführer fehlen darf, war nicht immer eine große Liebesgeschichte. Selbst in jüngerer Vergangenheit sorgten die ikonographischen Wassersprenger für Kontroversen und Skandale. Erinnert sei hier nur an die Posse um die „Aphrodite“, die sich in diesem Jahr zum 25. Mal jährte und deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte.

Die ungeliebte Aphrodite
Im Mittelpunkt stand damals eine Brunnenfigur des hochdekorierten Bildhauers Markus Lüpertz, die von Ellinor Holland in Auftrag gegeben worden war. Die ehemalige Herausgeberin der Augsburger Allgemeinen wollte damit der Stadt ein Geschenk machen, welches diese zunächst freudig annahm, nach dessen Enthüllung im Rathaus jedoch nicht behalten wollte. Einigen Stadtratsmitgliedern erschien die Machart der Statue als zu modern und auch die Bürger liefen in diversen Versammlungen gegen die Bronze-Plastik sturm. Am Ende zögerte die Stadt die geplante Aufstellung vor St. Ulrich und Afra so lange hinaus, bis die Stifterin selbst entnervt aufgab und die Brunnenfigur zusammen mit Lüpertz wieder abholte. Heute steht sie vor dem Verlagsgebäude der Augsburger Allgemeinen.

Der Skandal um die „Aphrodite“ ist jedoch kein Einzelfall in der Augsburger Geschichte. Bereits vor 500 Jahren erhitzte eine ähnliche Debatte um eine Veränderung im Stadtbild die Gemüter. Auslöser war ebenfalls eine Brunnenfigur, die heute eher zu den unbekannteren zählt, an der damals jedoch in der Stadt keiner vorbeikam: Der sogenannte Neptunbrunnen.

Der Neptun als Angriff auf die alten Vorstellungen
1537 hatte der Stadtrat die 1,75 Meter hohe Figur auf dem Fischmarkt zwischen Perlachturm und Rathaus aufstellen lassen. Es war ein Akt, der gleich aus mehreren Gründen einen Affront darstellte. Der antike Gott wurde nämlich nicht auf einen neuen, sondern einen bereits bestehenden Brunnen gesetzt, auf dem zuvor eine Statue des Heiligen Ulrich, des Schutzpatrons der Stadt, gestanden hatte. Diese Entscheidung war bewusst getroffen worden, denn wenige Jahre zuvor hatte der Rat die Reformation in Augsburg eingeführt und versuchte in diesem Zuge, sämtliche Heiligenfiguren aus dem Stadtbild zu entfernen.

Für den altgläubigen Bevölkerungsteil stellte das eine ungeheure Provokation dar. Der Bischof persönlich wandte sich in einem Beschwerdebrief an Kaiser Karl V., in dem er die Aufstellung des Neptunbrunnen anprangerte. An der Situation änderte das allerdings wenig. Augsburg blieb bis 1547 protestantisch und die katholische Geistlichkeit musste sich außerhalb der Stadt ins Exil begeben.

Erste nackte, lebensgroße Bronzefigur im öffentlichen Raum
Doch nicht nur in religiöser, sondern auch in künstlerischer Hinsicht konnte die Brunnenfigur als Angriff auf die alten Vorstellungen wahrgenommen werden. Immerhin war es das erste Mal, dass nördlich der Alpen eine lebensgroße Bronzefigur nach antikem Vorbild im öffentlichen Raum nackt dargestellt wurde. Nicht abschließend gesichert ist, wer Auftraggeber und Künstler waren.
Wirft man heute einen Blick auf die Bronzestatute, die inzwischen auf dem Jakobsplatz in der Jakobervorstadt steht, dann fällt einem die fast schon unbeholfene Haltung des Neptun auf. Es wirkt beinahe so, als wäre er verklemmt und würde sich selbst für seine öffentliche Ausstellung schämen. Darin spiegelt sich jedoch nicht etwaig mangelndes Selbstbewusstsein des Künstlers wider, sondern vielmehr die Unkenntnis mit den damals noch neuartigen Gestaltungsprinzipien der italienischen Renaissancekunst. Das Stand- und Spielbein des Neptun sind vertauscht, was zu seiner merkwürdigen Haltung führt. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Machart der Figur sicherlich Diskussionen ausgelöst haben dürfte. Immerhin galten Aktdarstellungen noch bis in das 20. Jahrhundert hinein als umstritten, wie sich in Augsburg am sogenannten Kesterbrunnen zeigte.

Kesterbrunnen benötigte Sichtschutz
1908 beauftragte die Stadt den Münchner Bildhauer August Pausenberger, einen Jüngling als Brunnenfigur zu entwerfen, der ausdrücklich komplett unverhüllt sein sollte. Die Pläne der Stadtregierung sorgten jedoch für großes Entsetzen unter der Bevölkerung, die daraufhin lautstark gegen die Statue protestierte. Um die aufgeregte Debatte zu beruhigen, entschied sich der Künstler dazu, die Lenden der Figur mit einer Weinrebe zu bedecken, wie es auch bei den Renaissancebrunnen üblich war. Im Wissen um den Wandel der Zeit brachte Pausenberger den Sichtschutz jedoch so an, dass dieser jederzeit wieder entfernt werden konnte, was nach dem Zweiten Weltkrieg auch geschah. Seither steht der Jüngling unverhüllt an seinem angestammten Platz zwischen Schießgrabenstraße und Konrad-Adenauer-Allee.
(Moritz Winkler)

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