Die 7. „Stadt Nach Acht“ findet am 24./25.10. unter dem Motto Stadt.Land.Clubs in Augsburg statt
Verfasst von Neue Szene am 24.10.2024
Interview mit Jürgen Enninger, Sebastian Karner und Marc Wohlrabe
Lustvolles Quälen und einvernehmliche Gewalt: Tamy und Alexander vom BDSM-Stammtisch im Interview
Alle zwei Wochen öffnet der BDSM-Stammtisch „Tacheles“ in Augsburg seine Türen. In gemütlicher Kneipenatmosphäre können sich hier Gleichgesinnte mit Interessen und Neigungen im SM-Bereich austauschen und entspannt miteinander ins Gespräch kommen. Tamy und Alexander sind selbst seit vielen Jahren Teil der Szene. Am 29.09. feiert der Stammtisch 25 Jahre Geburtstag. Anlässlich des Jubiläums geben uns die beiden tiefere Einblicke in eine vermeintlich unanständige und verbotene Welt.
Von Tanja Moosrainer
Folgendes Szenario: Ich komme zum ersten Mal zum „Tacheles“ Stammtisch, was erwartet mich bei euch?
Tamy: Ein bunt gemischter Haufen mit lieben, offenen Menschen, den man so nicht erwartet. Es ist nicht so klischeehaft, wie man es sich vorstellt, dass alle in Lack und Leder dasitzen und die Stimmung verrucht und schmutzig ist.
Also brauche ich keinen Dresscode?
Alexander: Auf keinen Fall. Uns ist wichtig, die Schwelle möglichst niedrig zu halten, alle sollen sich wohlfühlen. Wir wollen auch keine Extreme, der Stammtisch soll nicht zur Session werden.
Alles auf Anfang. Der Stammtisch feiert im September 25-jähriges Wiegenfest. Wie kam es damals zur Gründung?
Alexander: Ein Jahr vor der Gründung in Augsburg kamen die Smigo‘s in München zum ersten Mal zusammen und haben ihren SM-Stammtisch dort gegründet. Da es auch schnell einen guten Zulauf aus Augsburg gab, hat man nur ein Jahr später, am 29.09.1999, „Tacheles“ in Augsburg ins Leben gerufen. Das erste Treffen fand damals im Thing statt.
Wie lange seid ihr dabei?
Alexander: Seit Mitte der 2000er.
Tamy: Seit knapp 12 Jahren.
Alte Hasen sozusagen und die Strippenzieher des Stammtischs.
Alexander: (lacht) Fies formuliert. Doch, genauso ist es. Wir sind eine Hand voll Leute, die im Background arbeiten, uns gegenseitig abstimmen, organisieren und als Ansprechpartner:innen für Interessierte und Neugierige fungieren.
Wie seid ihr selbst zum Stammtisch gekommen?
Alexander: Ich habe mich mit BDSM erst mal nur im Kopf, über Videos und Heftchen beschäftigt. Als ich damals von Bonn nach Augsburg gezogen bin, habe ich über einen Chat im Dark Room die Stammtisch-Chefin kennengelernt und bin so zu „Tacheles“ gekommen. Am Stammtisch habe ich dann meine Frau kennengelernt und damit wurde es praktisch. Ganz romantisch (lacht).
Tamy: Ich bin über die Praxis und Swinger Szene zu BDSM gekommen.
Seit den Anfängen ist viel Zeit vergangen. Was ist heute anders als damals?
Alexander: Der wesentliche Unterschied ist das Internet. Du kannst unglaublich schnell Gleichgesinnte finden, mit ihnen kommunizieren und das überregional. Heute sind die Barrieren durch soziale Medien niedriger und insbesondere junge Menschen wollen einfach mal ein bisschen versaut sein und sich ausprobieren. Dann gab es diese komischen Bücher und Filme…
Fifty Shades of Grey!
Alexander: Ja. Sowas gab es früher nicht. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass sich die gesellschaftliche Anerkennung hinsichtlich BDSM stark verändert hat.
Tamy: Sehe ich auch so. Durch die Neuauflage von z.B. Kinky Partys, wo du Fetisch mit Techno und Feiern verbindest, ist das Thema SM vielleicht etwas präsenter geworden, aber auch solche Partys gab es schon vor 20 Jahren und sind keine Neuerfindung. Der Zugang ist heute lediglich einfacher.
Was denkt ihr, warum der Austausch über Fetische und sexuelle Vorlieben oft so schambehaftet ist und im öffentlichen Diskurs weniger stattfindet als in geschützten Räumen?
Tamy: Das ist sicher u.a. Erziehungssache. Ich würde meiner Oma auch nicht erzählen, dass ich mich gern verhauen lasse, weil sie nicht verstehen würde, wie eine selbstbewusste Frau so etwas freiwillig und einvernehmlich mit sich machen lässt.
Alexander: SM ist leider auch etwas, das sehr sensationsbeladen ist und gern als Aufhänger genommen wird, um Themen noch anrüchiger zu machen, wie z.B. in einem Strafprozess. Das sorgt für ein schiefes Image.
Ihr habt bestimmt auch immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen. Was müsst ihr euch so anhören?
Alexander: Da ist alles dabei. Dass es sich bei BDSM um brutale Gewalt handelt und Dinge gegen den Willen anderer geschehen. Natürlich sehen manche auch übel aus nach solchen Sessions, aber das ist ja alles gewollt. Dafür fehlt vielen einfach das Verständnis.
Tamy: Ich glaube, dass viele Menschen Vorbehalte haben, weil sie sich nicht wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt haben und der Mensch neigt grundsätzlich dazu, Unbekanntes erst mal abzulehnen.
Wie groß ist das Netzwerk in Augsburg im Vergleich zu anderen Städten?
Alexander: Das ist eigentlich wie mit allem, wenn man Augsburg und München vergleicht. Für größere Konzerte fährt man nach München, für BDSM-Events und Messen auch, aber es gibt natürlich trotzdem einige spannende Angebote in Augsburg.
Welchen Mehrwert bieten eure Treffen gegenüber Austausch im Netz?
Tamy: Es ist etwas, das real stattfindet und greifbar ist. Im Internet gibt es viele Fakes, du weißt nicht mit wem du schreibst. In Foren treiben sich auch haufenweise „Tastenerotiker“ rum, die toll Geschichten erzählen können, aber am Ende in der Theorie hängen bleiben.
Alexander: Das Internet weckt hohe Erwartungen und gaukelt dir einiges vor. Der Stammtisch dagegen hat eine hohe soziale Komponente, man kann sich mit echten Menschen über echte Erfahrungen austauschen. Das wird dir das Internet niemals bieten können.
Wer ist bei „Tacheles“ richtig aufgehoben?
Tamy: Alle. Egal, ob dominant oder devot, ob als Hund oder als Mensch, ob neu und soft oder seit Jahrzehnten Hardliner. Alle sind willkommen, die Lust haben.
Alexander: Die einzige Voraussetzung ist, dass du volljährig bist.
Seid mal spontan: BDSM ist für alle, die…
Alexander: …auf Abwechslung in der Erotik stehen.
Tamy: …an ihre Grenzen gehen möchten.
Alexander: Das ist noch besser als meins! (tm)
Foto: Pharae Nutello
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