Liebe geht durch den Magen

Benjamin Mitschele ist seit gestern nach Simon Lang (Sartory) und Christian Grünwald (August) der dritte Augsburger Michelin-Sternekoch. Letztes Jahr haben wir mit ihm ein Interview geführt, das von seiner Aktualität nichts eingebüßt hat.

Mit dem Restaurant „Alte Liebe“ ist Benjamin Mitschele der Spagat zwischen feiner Küche und urbanem Setting außerordentlich gut gelungen. Seit September 2019 schwingt er nach seinem Umzug von der Ludwigstrasse den Kochlöffel im Bismarckviertel.
Walter Sianos traf ihn zum verbalen Amuse-Gueule.

Benjamin, wer ist eigentlich an allem Schuld? Jamie Oliver?
(Lacht) Nein. Bei mir war es eher der Gastronomiekritiker und Buchautor Wolfram Siebek. Er hatte, als ich ungefähr 16 war, im Zeit-Magazin seine eigene Kolumne, die mich sehr interessiert und fasziniert hat. Ich habe mir dann sogar ein Kochbuch von ihm gekauft. Ich würde jetzt nicht sagen, dass er die Initialzündung war, aber eine Inspiration war er allemal.

Was war dann die Initialzündung?
Eine ganz banale. Ich war ungefähr 13, meine Mutter war nicht daheim, und es gab nichts zum Mittagessen. Ein Freund war da und er meinte, lass uns einfach Nudeln mit Schinken-Sahne-Sauce kochen. Das hat dann sogar geschmeckt und ich war überrascht, wie leicht doch Kochen sein kann. Dass es allerdings alles andere als leicht ist, weiß ich erst heute. Und so ging es weiter, ich war dann irgendwann fürs Familienabendessen zuständig und habe mich da in allen Richtungen ausprobiert.

Du hast das Einmaleins des Kochens später im Augsburger Edelrestaurant „Magnolia“ erlernt. War das die klassische Ausbildung mit 17?
Nein, ganz und gar nicht, ich war eher ein Spätzünder. Nach dem Fachabitur habe ich begonnen, Digitalen Film zu studieren. Aber dann habe ich schnell gemerkt, dass ich lieber etwas Praktisches machen will. Eigentlich wollte ich zuerst gar nicht Koch werden, das war mein Hobby. Mit 23 habe ich mich dann bei einigen Restaurants um eine Lehrstelle beworben.

Wie lief das ab?
Ich bin einfach selber in die Restaurants gegangen, habe mich vorgestellt und gefragt, ob ich mal zur Probe arbeiten dürfe. Zuerst im „Kuckuck”, dann bei „Die Ecke”. Und schon im dritten Anlauf hat das im „Magnolia“ geklappt.

Mit einer klassischen dreijährigen Lehrzeit?
Dank Abitur und Studium durfte ich meine Prüfung vorziehen und mit einer Sonderregelung, die mein damaliger Chef forciert hat, schon nach 18 Monaten die Abschlussprüfungen machen. Allerdings mit der Bedingung, dass ich nach meiner Ausbildung noch etwas im „Magnolia” bleibe. Das habe ich dann natürlich auch so gemacht.

„Kuckuck”, „Die Ecke”, „Magnolia”? Du hattest also schon eine bestimmte Vorstellung.
Genau. Ich hatte das Glück, unter Toni Ludwig, dem heutigen „Tafeldecker”-Chef, zu lernen. Der wollte es schon damals besonders gut machen und dementsprechend war auch Zug drin. Das hat mir gefallen. Stark geprägt hat mich auch Franz Fuchs, ein ehemaliger Augsburger Sternekoch, und vor allem meine Zeit in Berlin.

Dein heutiges Konzept in der „Alten Liebe“ ist dennoch ein anderes als im „Magnolia“?
Mir gefallen diese Pariser Neo-Bistronomie-Konzepte. Handwerklich gut gemachte Küche, mit guten Produkten, aber eben eher in einem casual-urbanen Setting. In der „Liebe“ darf es auch mal etwas lauter zugehen, es soll etwas Lebendiges haben.

Kennst du eigentlich Sonja Frühsammer?
Ja, das ist eine Sterneköchin aus Berlin.

Sie ist die einzige Frau, die unter den besten 100 deutschen Köchen 2019 gelistet war.
Die einzige? Oh ... Ich habe schon vermutet oder gar befürchtet, dass es nicht wirklich viele sind. Aber nur eine? Das ist dann doch überraschend.

Warum ist die Restaurantküche eine Männerdomäne?
Genau über dieses Thema habe ich mich erst neulich lange mit meinen Kollegen Vincent Fricke und Lukas Dillinger unterhalten, die sich stark für unsere Branche einsetzen und versuchen, Dinge neu zu denken. Es ist sehr schade, dass so wenig Frauen in der Küche arbeiten, weil ich mir vorstellen kann, dass sie eine andere Herangehensweise haben. So mit mehr Gefühl und weniger rational-kopflastig, das wäre schon eine große Bereicherung. Final kann ich deine Frage aber nicht genau beantworten, aber es herrscht ja generell ein großer Fachkräftemangel.

Und auch ein Nachwuchs-Problem?
Viele Lehrlinge kommen mit falschen Erwartungen an. Sie denken, dass da gleich vom ersten Tag an gezaubert wird. Aber vor jeder Aufführung steckt erst einmal viel harte Arbeit. Deswegen brechen dann leider auch viele Auszubildende schnell wieder ab.

Kochsendungen boomen im TV. Welche Show ziehst du dir rein?
„MasterChef the Professional UK”, denn da treten Profiköche unter bestimmten Bedingungen gegeneinander an und das ist vom Fachlichen her interessant. „Chef´s Table“ und „The Mind of a Chef“ habe ich natürlich auch gesehen. Wenn es um reine Unterhaltung geht, dann ab und an „Kitchen Impossible”.

Wenn ich morgens aufwache, ist einer meiner ersten Gedanken meist: „Was gibt es heute Abend zu essen?”
Das ist auch bei mir so. Selbst an meinen freien Tagen dreht sich ganz viel um Essen und Genuss. Meine Freundin hat die selbe Leidenschaft und wir tingeln oft durch Restaurants, schauen uns alles an und versuchen vieles auszuprobieren. Auch unsere Reisen sind sehr kulinarisch motiviert. Japan ist hier das absolute Highlight!

Mit Christian Grünwald und Simon Lang gibt es in Augsburg zwei Köche, die sich mit Michelin-Sternen schmücken dürfen. Schielst auch du mit einem Auge auf so eine Auszeichnung?
Mein Anspruch ist ein Restaurant mit Zugang für Jedermann, also für Menschen, die sich für gutes Essen aus guten Produkten interessieren. Wir versuchen das bestmöglich umzusetzen und auch viel Herz mit reinzugeben. Wir sind kein Restaurant für jeden Tag, weil wir durch den hohen Aufwand und die Güte der Produkte einen gewissen Preis abrufen müssen.
Gutes und feines Essen kann ein Glücksgefühl auslösen und der Versuch, so zu kochen, dass es jemanden wirklich berührt, dass sogar die Augen leuchten, das ist das eigentliche Ziel und unsere Motivation.

Welches Restaurant in Augsburg bringt deine Augen zum Leuchten?
Ehrlich gesagt betreiben ich da gerne Städteflucht. Wo es mir aber immer gut gefällt, ist im Kappeneck, denn dort wird Essen mit Liebe serviert und zudem viel Wert auf die Güte der Produkte gelegt.

Gib uns doch einen Tipp für ein leckeres und schnell zubereitetes Essen.
Das ist gar nicht so einfach, denn gerade die vermeintlich leichten Gerichte haben es oft in sich. Ein superschnelles Essen, für das man nicht viel braucht, ist für mich Spaghetti alio e olio. Wenn ich frei habe und zuhause koche, gibt es bei uns oft eine einfache Küche. Etwas gebratenes Gemüse, ein oder zwei verschiedene Salate, aufgeschnittene Tomaten mit Burrata, ab und an mal Fleisch oder Fisch, ein guter Schinken, etwas Käse und Brot. Ganz simple Sachen eben.

Welcher Traum schlummert in dir?
Was mich in ferner Zukunft einmal beruflich reizen würde, wäre ein neues und nachhaltiges Deli-Imbiss-Konzept auszuarbeiten und vielleicht sogar an den Start zu bringen. Gutes, schnelles und gesundes Essen für einen fairen, aber echten Preis, das einem ganz klaren Nachhaltigkeitsprinzip unterstellt ist. Und insgeheim schlummert da auch noch der Traum von der kleinen Gärtnerei, in dem wir unser eigenes Gemüse anbauen können. Dies würde einen Kreis schließen, denn Ines, die Frau an meiner Seite, ist Gartenbau-Ingenieurin. Beste Voraussetzungen also. (ws)

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