Neuer Vorstand der Club & Kulturkommission Augsburg e.V. gewählt
Verfasst von Neue Szene am 21.05.2025
Im Rahmen ihrer jährlichen Mitgliederversammlung wurde der Vorstand bestätigt und für zwei weitere Jahre gewählt
Am 10.04. findet im Grandhotel Cosmopolis eine Soli-Lesung mit Lydia Daher statt
Bei Lydia Daher weiß man eigentlich gar nicht wo man beginnen soll. Nach einer Dekade in Berlin Kreuzberg lebt die Autorin, Musikerin und Künstlerin seit eineinhalb Jahren wieder in Augsburg. Mit „Wo wir bleiben“ hat sie einen neuen Gedichtband veröffentlicht.
Von Walter Sianos
Lydia, du bist Schriftstellerin, Musikerin, du hast an Hörbüchern gearbeitet, bist Dozentin, bist fürs Goethe-Institut als Sprach- und Kulturbotschafterin durch die Welt gereist, und hast in Galerien ausgestellt. Deine Aktivitäten passen auf keine Visitenkarte. Was bist du am liebsten bzw. welche Berufsbezeichnung gibst du heute an?
Bei fast allem was ich mache, steht das Wort, das Schreiben im Zentrum, deswegen würde ich mich am ehesten als Autorin bezeichnen, und die Musik und Kunst sind Satelliten.
Du hast mit „Wo wir bleiben“ ein neues Buch mit fast 100 Gedichten veröffentlicht. Ich als Leser kann deine Intentionen oft nur erahnen. Ist für dich so eine Aussage eher enttäuschend oder ist das sogar ein Kalkül von dir?
Meine Intentionen sind gar nicht so wichtig. Habe ich überhaupt welche? Ich schreibe, was ich schreiben muss. Und Gedichte leben ja auch davon, dass sich nicht alles sofort erschließt, dass es Sprünge und Ambivalenzen gibt. Davon abgesehen glaube ich, so solltest du als Leser nicht an Lyrik herangehen, mit diesem „Was will die Dichterin mir damit sagen“. Viel wichtiger ist doch: Was kannst du mit dem Gedicht anfangen, mit dieser Metapher, einer bestimmten Zeile?
Ein Zitat von dir lautet: Während ich hier sitze und Gedichte verfasse, entstehen draußen auf der Baustelle mehrere Stockwerke. Schwingt da so etwas wie Selbstzweifel mit?
Selbstzweifel, klar, müssen sein. In dem Fall ist die Frage, ob es „sinnvoll“ ist, was ich mache. Im Haus werden irgendwann Menschen leben. Im Gedicht bloß Worte, Gedanken, Momente. Und doch, im besten Fall finden Menschen sich darin wieder oder etwas Halt. An der Lyrik als Kunstform zweifle ich jedenfalls nicht. Sie ist widerständig, feiert die Mehrdeutigkeit und widersetzt sich, ganz gegen den Trend, einfachen Erklärungen und Deutungen.
2014 lief im Bayerischen Fernsehen die 45-minütige LIDO-Doku „Ein Tag im Leben von Lydia Daher“. Deine ersten Worte sind: „Hallo, ich bin die Lydia und do bin i dahoam“. War dieser Satz ironisch gemeint?
(lacht) Ich weiß nicht mehr genau. Wahrscheinlich habe ich es aus Spaß gesagt und dann hat die Redaktion beschlossen, dass das ein guter Einstieg ist. Dialekt ist mir jedenfalls genauso fremd wie Heimatgefühle, deswegen war der Satz bestimmt nicht ernst gemeint.
Du bist in Berlin geboren und in Köln aufgewachsen. Auf der Suche nach einem Studienplatz wolltest du möglichst viele Städte von A-Z ansteuern. Deine erste Station wurde Augsburg, obwohl Aachen im Alphabet davor kommt.
Aachen stand wahrscheinlich nicht auf meinem Zettel. Ich habe mir natürlich Städte mit bestimmten Studiengängen herausgesucht, aber auch diese Aussage ist mit Vorsicht zu genießen, denn ich wurde inzwischen schon so oft darauf angesprochen, warum Augsburg etcetera, dass ich irgendwann angefangen habe, meine Antworten halb zu erfinden.
Ein befreundeter Musiker hat zu mir mal gesagt, dass das Publikum eine schöne Lüge mehr liebt, als eine ehrliche, aber langweilige Story. Hat er recht?
Absolut, da stimme ich zu. Irgendwann langweilt es, wenn sich Fragen dutzendfach wiederholen und man sich selbst die immer gleichen Antworten sagen hört. Es war damals jedenfalls so, dass ich immer wieder gefragt wurde, wieso ich freiwillig von Köln nach Augsburg gezogen bin. Anscheinend macht sich der Augsburger seine Stadt gerne selbst klein, die Kölner haben da eine wesentlich selbstbewusstere Einstellung.
Ich finde, das hat sich inzwischen schwer geändert. Letztendlich hast du es nicht mal bis B geschafft. Ich kenne viele Leute, denen es hier ähnlich wie dir ergangen ist. Ist Augsburg die unterschätzte Stadt?
Das weiß ich nicht. Augsburg hat definitiv Vorzüge, gerade in einer Zeit, in der sich Deutschland nicht von der sympathischsten Seite zeigt. Wenn es überall mies ist, dann doch am besten dort sein, wo es auf eine Art schön ist. Wo man, wenn man will, Menschen gut aus dem Weg gehen kann (lacht). Ich habe zum Beispiel den Siebentischwald vor der Tür, den Botanischen Garten. Nach zehn Jahren Kreuzberg ein wahres Paradies. Mein Sohn kann seiner Naturforscherleidenschaft nachgehen und meinetwegen die Bäche leer trinken und ich muss nicht dauernd auf Alarm sein.
Was hat dir Augsburg gegeben?
Ich wohne seit eineinhalb Jahren wieder hier, aber irgendwie bin ich immer noch im Modus des Ankommens. Ich kann aber sagen, dass ich hier in den letzten Monaten ein paar neue, sehr feine Menschen kennenlernen durfte. Außerdem schätze ich, dass der Alltag für mich auf vielen Ebenen weniger stressig ist. Abends, wenn ich die letzte Runde mit dem Hund gehe, schaue ich immer kurz in den Himmel und genieße es. Weil ich nicht, wie bei uns im Berliner Kiez einen Slalom um Elend und Müll laufen muss. Ein naturliebendes Kind und ein sensibler Hund haben mein Verhältnis zu Berlin verändert. Da bin ich noch oft, aber eben nicht mehr ständig, was mich wieder positiver auf die Stadt blicken lässt.
Ich habe dich in erster Linie als Musikerin wahrgenommen. Du hast zwischen 2007 und 2017 vier tolle Platten bei Trikont veröffentlicht. Wie bewertest du heute diese Phase?
Die Musik war für mich ein riesiges Experimentierfeld ohne große Zielgedanken. Als alleinerziehende Mutter habe ich derzeit einfach zu wenig Zeit dafür. Ich bin froh, dass ich die Arbeit an meinen Lyrikband abschließen konnte und habe beschlossen, mich erstmal aufs Schreiben zu konzentrieren. Allerdings hat mich vor wenigen Wochen ein fantastischer Berliner Saxofonist, der auch auf meinem letzten Album als Gastmusiker gespielt hat, gefragt, ob ich nicht eine Idee für uns habe. Hab´ ich, ja, aber ich hab´ auch großen Respekt davor, weil ich weiß, wie zeitintensiv und fordernd die Arbeit an den letzten Platten für mich war. Mal sehen.
Viele Songs wie beispielsweise „Schöner als draußen“ haben selbst nach über einem Jahrzehnt keinen Staub angesetzt und klingen immer noch aktuell.
Ja? Ich habe lange nicht mehr in meine Alben reingehört und das freut mich jetzt zu hören. Vielleicht klingen sie deshalb zeitlos, weil mich Trends nie interessiert haben.
Du bist ein vielseitiger und kreativer Mensch, hast viel gemacht und ausprobiert und warst u.a. auch für das Goethe-Institut in Buenos Aires und Hongkong unterwegs. Seit einigen Jahren bist du jetzt Mutter, vermisst du das Reisen, das Vagabundieren auf Tour?
Nein, nicht wirklich. Es war natürlich sehr spannend, besonders wenn ich die Möglichkeit hatte mit Kunst- und Musikschaffenden vor Ort zu arbeiten. Aus der Reise nach Algier ging sogar eine EP hervor. Es war aber auch nervenaufreibend, weil die Tage im Ausland unheimlich vollgepackt waren.
Jedenfalls waren Auftreten und Herumreisen nie Antrieb und Ziel meiner Arbeit. Wichtiger ist für mich der Prozess, mir etwas ausdenken, neue Kollaboration eingehen, mich mit anderen Künsten beschäftigen.
Auffällig ist, dass dir die Kritiker ziemlich wohlgesonnen sind.
Das stimmt, bisher ist meine Arbeit immer gut weggekommen. Insbesondere zu meinem ersten Album war der Hype groß. Das hat mich damals eher skeptisch gemacht. Heute weiß ich, dass es eben auch die sehr intensive Arbeit ist, die sich auszahlt. Ich bin aber auch nicht enttäuscht, wenn es fundierte Kritik gibt, wenn ich das Gefühl habe, dass sie mich weiterbringt.
Wie ist dein Verhältnis zu Bert Brecht?
Habe ich lange nicht mehr gelesen. Früher habe ich mich mit seiner Lyrik beschäftigt und zum Spaß Remixe aus seinen Texten gemacht. Sie auseinandergenommen und teilweise mit eigenen Zeilen kombiniert. Dabei habe ich vieles als noch eingängiger und zeitloser empfunden als vorher vermutet.
Welches Buch liegt aktuell auf deinem Nachtkästchen?
Das sind derzeit zwei: Einmal „Orientalismus“ von Edward W. Said, ein wichtiges und wieder hochaktuelles Buch. Und „Hochbranden“ von der großartigen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan, die vor ein paar Tagen hundert Jahre alt geworden wäre.
Und welche Platte hörst du derzeit?
Ich höre Musik aus der MENA-Region, also Middle East und Nordafrika. Da gibt es unendlich viel zu entdecken. Und gerade in dieser Zeit, in der Deutschland verstärkt zu verstehen geben will, dass alles Arabische irgendwie zweifelhaft oder minderwertig ist, empfinde ich es schon fast als einen rebellischen Akt, diesen Sound zu hören. Es erschreckt mich, dass Menschen erschrocken schauen, wenn bei mir arabische Musik läuft. Außerdem versuche ich bewusst die Sprache ins Ohr zu bekommen, weil ich seit einigen Wochen eine Lehrerin für Arabisch habe. Irgendwann will ich die Gedichte meines libanesischen Urgroßvaters übersetzen.
Du warst letztes Jahr Teil einer Ausstellung in der Galerie im Höhmannhaus. Ist in diese Richtung wieder etwas geplant?
Im Höhmannhaus habe ich die Arbeit „Actually, I am an artist“ ausgestellt, die unter anderem den nicht gelingen wollenden Spagat zwischen Sorgearbeit und Kreativität behandelt. Sie basiert auf Schnappschüssen, die mein Sohn im Kleinkindalter in unserer Altbauwohnung gemacht hat. Die Arbeit wurde für die Ausstellung „Not your choice!“ im A.K.T; Pforzheim angefragt, die Anfang April Eröffnung feiert, einen Tag vorm Geburtstag meines Sohns. Wenn er wüsste, wie speziell es ist mit acht Jahren gemeinsam mit Amanda Palmer von den Dresden Dolls auszustellen (lacht).
Was sind deine nahen, was deine fernen beruflichen Träume oder Ziele?
Der Verleger und Leipziger Buchpreisträger Dinçer Güçyeter wartet noch auf Gedichte von mir. Außerdem überlege ich derzeit, ob ich es mal mit einem Roman versuche. Ich habe doch einige Geschichten zu erzählen, was mir aber erst kürzlich so richtig klar geworden ist. Bisher war es immer die Kurzform bei mir, Lyrik und lyrics, aber ich habe die lange Form nie ausgeschlossen, falls sie sich einmal aufdrängen sollte. Ist aber gut möglich, dass ich anfange und dann wieder alles kürze, bis am Ende doch wieder Gedichte dastehen. (ws)
Lydia Daher - „Wo wir bleiben“
Edition AZUR
www.lydiadaher.de
Am 10.4., 19.30 Uhr, findet im Grandhotel Cosmopolis eine Soli-Lesung mit Lydia Daher statt. Eintritt auf Spendenbasis
Foto: Gerald von Foris
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