Zwei weitere Stolpersteine in Augsburg
Verfasst von Neue Szene am 16.05.2025
79 Stolpersteine erzählen 79 Schicksale
Bilder können die Welt bewegen. Ein Satz, der in unserer modernen Mediengesellschaft mehr gilt als je zuvor. Wer die Macht der Bilder zu nutzen weiß, kann eine beeindruckende Karriere hinlegen. Wer sie übersieht, dem droht ein Shitstorm. Nach der Hochwasserkatastrophe von 2002 inszenierte sich Kanzler Gerhard Schröder als Kümmerer in Gummistiefeln und schaffte es damit, einen verloren geglaubten Wahlkampf doch noch für sich zu entscheiden. In der gleichen Situation besiegelte dagegen 2021 ein unvorsichtiger Lacher sämtliche Kanzleramtsambitionen von Armin Laschet.
Die Wirkmacht der Bilder ist jedoch längst nicht nur eine Erscheinung unserer Tage, sie war auch in vormoderner Zeit bekannt. Herrscher und Mächtige versuchten ein Idealbild von sich zu entwerfen. Es wurde das gezeigt, was sein sollte. Was nicht in die Darstellung passte, wurde zensiert. Eine kritische Öffentlichkeit gab es nicht. Vor 219 Jahren ereignete sich in Augsburg ein solcher Fall von Zensur. Es ist eine Geschichte, die aus heutiger Sicht wohl echtes Meme-Potential hätte, über die damals jedoch niemand sprechen durfte.
Im Mittelpunkt steht Napoleon Bonaparte, der am 10. Oktober 1805 Augsburg das erste Mal betrat. Der General befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg, der mächtigste Mann in Europa zu werden. 1799 hatte Napoleon seine Herrschaft angetreten. Als siegreicher Heerführer hatte er aus dem bedrängten Frankreich eine Großmacht gemacht und sich selbst 1804 zum Kaiser gekrönt. Ins bayerische Schwaben führte den General – wie nicht anders zu erwarten – der Krieg.
Seit September 1805 befand sich Frankreich im Konflikt mit Österreich. Bei Wertingen hatte der Kaiser den Habsburger Truppen die erste Niederlage beigebracht und daraufhin in Augsburg Station gemacht. Von dort aus beabsichtigte er weiter in Richtung Ulm zu marschieren, wo das österreichische Hauptheer stand. Am 12. Oktober ließ sich Napoleon in einer Kutsche zur Lechbrücke bei Augsburg fahren, um von dort den Feldzug fortzusetzen.
Jeder Zeitung wurde untersagt, über diesen Vorfall zu berichten
Im Wissen um die Macht der Bilder hatte sich der Kaiser jedoch dazu entschieden, den Fluss nicht in der Kutsche, sondern zu Pferd zu überqueren. Auf einem bereitgestellten Schimmel bewegte sich Napoleon an der Spitze seiner Armee über die Brücke. An diesem Tag herrschten in Augsburg winterliche Temperaturen, es fiel starker Schneeregen. Als der Kaiser nach wenigen Schritten das Pferd wendete, um eine Ansprache zu halten, passierte es. Der Schimmel verlor den Halt, rutschte aus und Napoleon wurde vor den Augen der Soldaten aus dem Sattel gehoben und stürzte zu Boden. Der Kaiser selbst blieb unverletzt. Wenig später überquerte er auf einem neuen Pferd zusammen mit 50.000 Soldaten die Brücke – nicht jedoch, ohne klare Anweisungen zu hinterlassen: Jeder Zeitung wurde untersagt, über diesen Vorfall zu berichten.
Napoleon war sehr um seinen Ruf als unbezwingbarer General und ein strahlendes öffentliches Bild bemüht. Vier feindselige Zeitungen seien mehr zu fürchten als tausend Bajonette, soll er dazu einmal geäußert haben. Die Zeitungen konnte er zwar kontrollieren, doch seine Männer offenbar nicht. Ein hochrangiger Offizier und Augenzeuge hielt das Geschehen in einem internen Bericht fest. So kommt es, dass wir über 200 Jahre später doch noch vom kaiserlichen Ausrutscher an der Augsburger Lechbrücke wissen.
Text: Moritz Winkler
Verfasst von Neue Szene am 16.05.2025
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