Tolerant, entspannt, sexpositiv

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Im Hinblick auf den Umgang mit gesellschaftlichen Konventionen und das sexuelle Selbstverständnis sind klare Wellenbewegungen erkennbar. Nach dem frischen Wind der 1920er folgte die stumpfsinnige Engstirnigkeit der Nationalsozialisten, die im Nachkriegsdeutschland in ein gestrenges „Das macht man nun einmal so“ überging. Erst in den wilden 1970ern brachen Konventionen auf, um sich bereits vor der Wendezeit wieder weitgehend zu verkrusten. Nun kommt erneut Schwung ist die Sache: Die wissenschaftliche Erkenntnis, dass sich Menschen nicht in ein binäres Schema einfügen lassen, hat bereits zu politischen Entscheidungen geführt. Immer mehr Menschen brechen aus dem steifen Korsett der vermeintlichen gesellschaftlichen Do’s und Dont’s aus und wagen nicht nur den Blick über den Tellerrand, sondern auch um die Ecke. Aber Achtung: Während die selbsternannten Querdenker eher auf Meinung denn auf Ahnung setzen, sehen „Queerdenker“ das Große und Ganze. Ein Credo ist hier: Der Zustand der Welt ist bereits schlimm genug – Es gibt also keinen Anlass, sich selbst noch mehr Schwierigkeiten zu machen.

Der Sex wird wieder vielfältiger
Pizza ist lecker, aber immer nur Pizza ist langweilig. Gleiches gilt für die Erotik: Die Missionarsstellung kann durchaus lusterfüllend sein, aber auch hier ist mehr Abwechslung erlaubt. Auch wenn man über die Story geteilter Meinung sein darf, hat die „50 Shades of Grey“-Reihe definitiv einen wesentlichen Anteil daran. Denn plötzlich wurde BDSM beinahe salonfähig: Zuvor praktizierten die meisten Menschen ihre Lust an der „dunklen Seite der Erotik“ im heimischen Schlafzimmer und vielleicht auch mal im Club, darüber sprechen konnte man allerdings nicht. Mittlerweile wagen immer mehr Menschen, sich im Freundeskreis oder auch in der Familie entsprechend zu öffnen. Und das gilt für andere erotische Facetten in gleicher Weise, wie auch am sich immer weiter ausbreitenden Tantra-Trend zu erkennen ist.
Sogar die Coronapandemie hat ein Stück weit dazu beigetragen, dass sich immer mehr Menschen in erotischer Hinsicht locker machen und bereits sind, einmal um die Ecke zu schauen: Einige Swingerclubs haben sich in einer Zeit, in der die Spielwiese verwaist bleiben musste, neu erfunden und haben ihre Türen als Restaurant mit erotischem Flair geöffnet. So konnten auch all jene, die Sex stets als Privatsache betrachteten, einmal den Schritt in ein außergewöhnliches Umfeld wagen. Seither macht dieses Beispiel Schule: In verschiedenen Regionen des Landes finden sexpositive Partys statt. Die Gäste kleiden sich elegant, sexy, frivol und manchmal auch schrill, um gemeinsam zu feiern und eine gute Zeit zu haben. Eine Spielwiese oder erotische Themenzimmer gibt es hier nicht – und sie werden auch nicht vermisst.

Auch durch den Alltag weht ein frischer Wind
Die aktuelle Genderdebatte und die Frage, inwiefern sich die Menschen im Hinblick auf ihre Geschlechterrolle in einem binären System wiederfinden, sind manchmal mühsam. Und leider melden sich vor allem aus politisch und religiös konservativer Richtung einige Menschen zu Wort, die sich mit den neuen Realitäten nicht abfinden wollen. Gerade daran wird aber eine gesamtgesellschaftliche Offenheit erkennbar. Frauen können ganz selbstverständlich Krawatte zu Bundfaltenhose und flachen Schuhen tragen, gleichzeitig greifen immer mehr Männer zu Rouge und Lidschatten, um anschließend in die knallenge Lederhose zu schlüpfen. Nicht das Geschlecht, sondern das eigene Wesen, die Figur mit allen optischen Merkmalen und natürlich das Styling insgesamt spielen die wesentliche Rolle bei der Wahl der Kleidung.
Noch braucht es einen gewissen Mut, wenn man sich fernab vom Mainstream bewegen möchte. Unter dem Strich ernten die meisten Freigeister allerdings mehr Anerkennung als Kritik oder gar Beleidigung. Jedenfalls dann, wenn man tatsächlich ein Styling wählt, das am besten zu einem passt. Es sind spannende Zeiten, in denen viel in Bewegung ist. Und ein jeder ist eingeladen, die immer noch bestehenden Verkrustungen weiter aufzubrechen. Dann gehört die Zukunft tatsächlich den Queerdenkern – und ausdrücklich nicht den Querdenkern.

Ist die Vielfalt tatsächlich mehrheitsfähig?
In einigen Ländern auf der Welt kann man das sicher nicht behaupten – und man muss nicht einmal in die weite Ferne schauen. Denn in Polen, Ungarn und Rumänien tut man sich ebenfalls schwer damit, die Realität zu akzeptieren.
Und in Deutschland? Hierzulande gab es lange, kontrovers geführte Debatten, die schließlich auch ins Parlament getragen wurden. So wurde am 30. Juni 2017 endlich die „Ehe für alle“ verabschiedet. Auch homosexuelle Paare können sich damit das Ja-Wort geben. Nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Politik kam dies einer Revolution gleich. Denn der §175 StGB stellte die Homosexualität in Deutschland über viele Jahrzehnte unter Strafe. Erst 1994 kam es zu dessen Abschaffung – und bis zur vollkommenen Gleichberechtigung homosexueller Menschen dauerte es noch weitere 23 Jahre. Ein Stück weit war es mit Sicherheit der immer offenere Umgang der Gesellschaft mit den verschiedenen Formen der Sexualität. Doch alte Rollenbilder sind damit nach wie vor nicht komplett ad acta gelegt. Katharina Barley, Vizechefin des Europäischen Parlamentes, warnte in einem Interview mit dem Magazin „emotion“ in deutlichen Worten: Es gibt Hunderte Organisationen weltweit, größere und kleinere, die gegen Gleichberechtigung, gegen Menschenrechte und gegen den demokratischen Staat kämpfen. […] Auch bei uns in Deutschland dreht sich der Wind. Ich finde es zum Beispiel erschreckend, wie viele Menschen wieder fragen, ob Homosexualität normal sei, und denken, dass sich diese über Konversionstherapie 'heilen' ließe."
Eine solche Haltung ist in der Mehrheit der EU-Länder natürlich nicht mehrheitsfähig. Tatsächlich ist es wohl eher ein Reflex auf die neue Realität. Und es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die eine größere Akzeptanz der sexuellen Diversität belegen. Eine solche wurde etwa im „Journal of Sex Research“ veröffentlicht. Diese zeigt zwar, dass sich die befragten Menschen mehrheitlich mit zunehmendem Lebensalter in sexueller Hinsicht eindeutiger positionieren, sich also einem bestimmten Geschlecht zuwenden und selber zuordnen. Dies bedeutet allerdings keineswegs eine geringere Akzeptanz für Rollenbilder, die mit dem eigenen nicht deckungsgleich sind.
Als weitere Varianten der Sexualität sind neben der Hetero- und Homosexualität auch die Bi- und Pansexualität gesellschaftlich sehr bekannt und akzeptiert. Weniger offen wird thematisiert, dass sich eine zunehmende Anzahl der Menschen als hetero- oder homoflexibel bezeichnet. Diese Menschen sind zwar primär auf das eigene oder ein anderes Geschlecht ausgerichtet. Unter gewissen Voraussetzungen sind sie aber durchaus bereit, von der eigenen erotischen Präferenz abzuweichen. Und warum auch nicht? Je nach Quelle fühlen sich die Menschen einer von 24 oder sogar von 60 Geschlechtsidentitäten zugehörig. Und abgesehen von fragwürdigen, nicht mehr zeitgemäßen Moralvorstellungen gibt es keinen Grund, diese Vielfalt zu akzeptieren und zu leben.

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