6. Kunstmeile in Pfersee vom 29.09.-14.10.
Verfasst von Neue Szene am 27.09.2023
Malerei, Zeichnung, Fotografie, Skulptur, Textil, Plastik und Collagen im Pferseer Zentrum
Ilulissat im Bundestag
Von Claudia Roth,
Bundestagsabgeordnete, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.
Ilulissat 13 heißt ein Werk des Fotografen Olaf Otto Becker, das nun einsam und alleine in der Ausstellung “Der blaue Planet” im H2 im Glaspalast hängt, ohne Betrachter*innen, in einem geschlossenen Museum. Auf den ersten Blick sehen wir dort wunderschöne Kunstwerke, die uns auf den zweiten Blick die Auswirkungen des Klimawandels aufzeigen und was wir drohen zu verlieren, wenn Permafrostböden in Sibirien auftauen, Eisberge auf Grönland schmelzen oder Regenwälder in Malaysia unwiederbringlich zerstört werden. Und mittendrin in dieser Ausstellung: das Klimawandel-Escape-Spiel “Helfen Sie unserem Augsburg!" des Büros für Nachhaltigkeit. All diese wichtigen kulturellen Angebote sind nun vertagt bis nach dem Lockdown – während der Klimawandel keine Pause einlegt.
Wir alle vermissen viel in der Corona-Krise. Neben dem spontanen Kontakt mit anderen Menschen ist es vor allem der hautnahe Kontakt zu Kultur. Doch nicht nur wir brauchen die Kultur, jetzt braucht sie uns.
“Die Kneipen schließen, die Kinos auch/die Gelder fließen, die Tränen auch/woher sie kommen, weiß niemand so genau.”
Auf einer der vielen Videokonferenzen mit Kulturschaffenden, die ich in den letzten Monaten mit veranstaltet hatte, trug Henning May von der Band AnnenMayKantereit dieses Gedicht vor. Bei aller Frustration und Trauer ist es doch beeindruckend, mit welch kreativer Energie die Kulturszene der Krise begegnete und wie schnell sie neue Formen und Formate erfand. Da gab es ins Netz übertragene Wohnzimmerkonzerte der Augsburger Club und Kulturkommission, da gab es die Online-Videos von Orchestern und Chören aus der Region und die Digital-Brillen für zu Hause des Staatstheaters. Und im Sommer gab es draußen Konzerte mit Liegestühlen und Abstandsregeln oder Kopfhörerkonzerte in öffentlichen Parks.
Das alles zeigt: Kultur trotzt Corona, wo immer es geht. In den besten Fällen tun sich so in der Krise neue ästhetische Erfahrungswelten auf. Und doch fehlt mir etwas, wenn ich zuhause am Bildschirm sitze oder mit Sicherheitsabstand unter freiem Himmel Kulturveranstaltungen besuchen: die direkte Begegnung, die physische Nähe, die “soziale Dichte”. Der Mensch ist ein soziales und kulturelles Wesen, er braucht die anderen als Resonanzraum und Verstärker von Gefühlen und Wahrnehmungen. Und Kultur ist ein ganz zentraler Ankerpunkt für dieses menschliche Grundbedürfnis, sie ist Lebenselixier. Kultur, das merken jetzt viele, ist mehr als ein Sahnehäubchen für gute Zeiten. Sie ist ganz entscheidend für unsere Demokratie, für die offene Gesellschaft und für unsere Persönlichkeitsbildung. Auch ihre volkswirtschaftliche Rolle ist enorm: 2019 betrug die Bruttowertschöpfung der Kultur- und Kreativwirtschaft 106,4 Milliarden Euro, knapp zwei Millionen Menschen arbeiten in der Branche.
Nach einer leichten Lockerung im Sommer wurde im November das kulturelle und öffentliche Leben erneut heruntergefahren, die Kulturbranche muss sich in einen neuerlichen Shut-Down fügen. Von einer Rückkehr zur Normalität kann also noch lange keine Rede sein. Wir tragen im Bundestag diese Einschnitte mit, weil es die Pandemie leider erfordert. Aber für die Zeit danach erwarte ich eine klare Strategie, die kulturelles Leben unter allen nötigen Vorsichtsmaßnahmen ermöglicht. Wir haben unsere Forderungen auf den Tisch gelegt. Insbesondere darf Kultur nicht mehr als Sahnehäubchen und bloße Freizeitgestaltung verstanden werden, denn sie ist ein ”Grundnahrungsmittel”.
Viele Angebote verdanken wir allein dem Enthusiasmus und der Kreativität der Veranstalter*innen – gerade im privatwirtschaftlichen Bereich sind sie oft genug nur als Verlustgeschäfte möglich. Eine Kinovorführung mit Abstandsregeln rechnet sich kaum, ebenso wenig wie ein Konzert vor 100 statt vor 2.000 Zuschauer*innen. Deshalb braucht die Kulturveranstaltungsbranche jetzt unsere Solidarität.
Die Grundidee des Rettungsprogramms “Neustart Kultur” ist soweit richtig: Durch öffentliche Gelder Kultur ermöglichen, statt die kulturelle Infrastruktur veröden zu lassen. Allerdings ist das Programm unzureichend und greift nicht im aktuellen Shut-Down. Die Mittel fließen nur langsam ab und vor allem freischaffende Künstler*innen fallen durchs Raster. Oft können sie sich nicht direkt um Gelder bewerben oder Hilfen sind an Voraussetzungen geknüpft, die viele freischaffende Künstler*innen und Kreative in der extrem angespannten Situation nicht erfüllen können.
Es geht jetzt darum, keine Zeit zu verlieren. Was an kultureller Vielfalt und Infrastruktur wegbricht, ist vorerst verloren. Ein Neuaufbau wäre um ein Vielfaches teurer, als jetzt unbürokratisch, schnell und wirksam zu helfen. Die Corona-Krise zeigt wie ein Kontrastmittel, auf welch dünnem Eis der Kulturbetrieb steht. Viele Kreative können kaum Rücklagen bilden, bzw. bilden diese für die Altersvorsorge. Wenn es kulturpolitische Lehren aus der Pandemie zu ziehen gibt, dann die, dass der Kulturbetrieb krisenfester und auf eine sichere Grundlage gestellt werden muss. Eine “Post-Corona-Politik” muss deshalb die Situation der Kultureinrichtungen und freien Kulturschaffenden nachhaltig verbessern. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass soloselbstständige Kreative fair vergütet und sozial abgesichert werden. Auch all das, was jetzt im Netz an Kultur stattfindet, muss angemessen bezahlt werden. Sonst profitieren als einzige die großen Plattformen davon. Wir müssen uns weiterhin für die Kulturszene einsetzen. Denn, das wurde uns doch allen klar, als das Virus kam: Kultur ist und bleibt systemrelevant, mehr noch: Sie hält unsere Demokratie am Leben!
Für Ilulissat 13 übrigens geht die Reise nach dem Lockdown weiter. Im Kunstbeirat des Deutschen Bundestages haben wir beschlossen, das Bild zusammen mit den Werken von weiteren Augsburger Künstlern anzukaufen. Denn es passt so gut zum Bundestag, zur Herzkammer unserer Demokratie, wo wir sowohl die Situation der Künstler*innen wie auch den Klimawandel nie aus den Augen verlieren dürfen.
Verfasst von Neue Szene am 27.09.2023
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