Zwischen Bio-Sushi und Denunziantentum

"Der Chinese" an der Universität Augsburg

Am Samstag Abend verwandelte sich Hörsaal 2 im Gebäude C der Universität Augsburg in ein dystopisches Zukunftsbild: Die Inszenierung von Benjamin Lauterbachs Stück Der Chinese, aufgeführt vom Ensemble Augsburg OnStage, ließ keine Zweifel daran, wie schmerzhaft nah Satire und Realität sich manchmal kommen können.

Was das 2012 entstandene Stück so beeindruckend macht, ist seine unheimliche Aktualität. Obwohl in den letzten Jahren die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen rasant an Fahrt aufgenommen haben, wirkt Lauterbachs Text wie ein Kommentar auf das Hier und Jetzt: eine Gesellschaft, die in radikal-ökologischer Selbstverwirklichung versunken ist, auf der Suche nach Reinheit, Ordnung und einer vermeintlich unantastbaren Leitkultur – und dabei jede Form von Fremdheit und Abweichung ablehnt. Ein Stück, das ebenso an die anthroposophische Lehre Rudolf Steiners wie an totalitäre Regime erinnert und die Hufeisentheorie schauspielerisch brillant auf die Bühne bringt: Von der links-phantastischen Idee der Nachhaltigkeit gleitet das System scheinbar mühelos in nationalistisch-autoritärere Gefilde ab.

Ein Paradebeispiel dafür sind die beiden Sicherheitsbeamten Kuschke und Schischke – grotesk, überzeichnet und doch verstörend glaubwürdig. Sie verkörpern jene Art von bizarrer Überwachung, die George Orwell vielleicht mit einem bitteren Lächeln quittiert hätte. Das Denunziantentum wird hier zur Tugend erhoben, und die Absurdität des Systems entfaltet sich mit jedem weiteren Schritt der Handlung.
Schauspielerisch sticht besonders die Szene hervor, in der Tochter Maria-Lara laut darüber nachdenkt, ob sie nicht vielleicht die bessere „Mutti“ wäre – eine an Stanley Kubrick erinnernde Mischung aus verstörender Künstlichkeit und psychologischer Tiefe. Das Ensemble insgesamt agiert mit wunderbarer Geschlossenheit, großer Spielfreude und präzisem Gespür für den satirischen Ton der Vorlage.

Der Chinese ist ein intelligentes, gesellschaftskritisches Stück, das provoziert, spiegelt, überzeichnet – und dabei doch erschreckend plausibel bleibt. Wer sich einen Abend lang mit der Frage beschäftigen möchte, wie schnell Idealismus in Dogma umschlagen kann, sollte sich diese Inszenierung nicht entgehen lassen.

Noch gibt es drei weitere Aufführungen – die genauen Termine finden sich in unserem Veranstaltungskalender. (tk)

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