Vati kann twittern

Verfasst am: 01.01.2013 | Autor: Florian Kapfer

"Ihr mit eurem scheiß Schnee!", grummelte der Nachtschwärmer, als er mit satten anderthalb Promille den verschneiten Heimweg antrat. Nun wäre es natürlich interessant zu wissen, wen genau er mit "ihr" meint...

"Ihr mit eurem scheiß Schnee!", grummelte der Nachtschwärmer, als er mit satten anderthalb Promille den verschneiten Heimweg antrat. Nun wäre es natürlich interessant zu wissen, wen genau er mit "ihr" meint, aber vor allem beweist das mal wieder, was für ein undankbares Völkchen diese Fußgänger doch sind. Denn wirklich schwer haben es ja, gerade im Winter, die Autofahrer. So nimmt es nicht wunder, dass einem der Vollspaten in der getunten C-Klasse drei Kreuzungen lang hinterherplärrt, man solle doch sein Licht am Fahrrad einschalten. Denn wenn er etwas hasst, dann ist es Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer nehmen zu müssen, wo doch gerade Mutti neben ihm auf dem Fotzenstövchen - aka Sitzheizung - zur Rockantenne steilgeht. Da zählt nicht mal mehr die ernüchternde Tatsache, dass er es gerade drei Ampelphasen lang nicht geschafft hat, einen Radfahrer zu überholen, trotz satter PS-Übermacht in Verbindung mit Guns’n’Roses in HD-Digital-Surround-Bassboost mit Hirnunterdrückung.

Dass Autofahren so ziemlich das Uncoolste von der ganzen Welt ist, hat man in der Umweltstadt und frischgekürten Nachhaltigkeitsmetropole am Lech irgendwie noch nicht geschnallt. Wann hat man schon einmal erlebt, dass eine Behörde so schnell reagiert wie das Augsburger Tiefbauamt auf Klagen, die Parkhäuser zur Weihnachtszeit wären nicht genügend ausgeschildert? Ich meine, was wollt ihr denn noch alles, ihr GPS-Krücken? Soll euch der OB persönlich abholen und an der Hand zum Christkindlsmarkt führen? Mensch. Andere Leute wären schon froh über halbwegs geräumte Radwege!

Da ist ja sogar der Papst moderner! Das Oberhaupt der katholischen Kirche hat vor Kurzem seinen eigenen Twitterkanal eingerichtet und noch bevor er das erste „urbs“ ins Netz schicken konnte, hatte er schon eine halbe Million "Follower". Darunter auch Dorothee Bär: "Ich freue mich auf den Heiligen Vater in meiner Timeline!", jubelte die stellvertretende CSU-Generalsekretärin reichlich unverblümt über den direkten Draht zu Benedikt den Viertel-vor-viel-zu-Späten. Wobei sich größere Spekulationen, was der Pontifex so raushaut, natürlich verbieten, aber ich sag mal, wenn er zur Weihnachtszeit in Rom unterwegs war, dürfte die Message wohl eher so ausgesehen haben: "Wieder keinen Parkplatz an der Piazza Navona bekommen! Die ewige Stadt ist ein alter Sch... LOL. Trotzdem frohes Fest, eure Twitterratz."

Also, Leute, seht es ein: Es ist einfach zu wenig Planet für zuviel Blech da! Erschwerend kommt hinzu, dass des deutschen liebstes Baby immer dicker wird, worauf ein paar ganz Schlaue bereits gefordert haben, die Kommunen müssten die Größe der öffentlichen Parkplätze anpassen! Sonst noch was? Die Altstadt schleifen? Zugegeben, das allmorgendliche Verkehrschaos rund um St. Stefan ist tatsächlich erbarmungswürdig, wenn die gestressten Erziehungsgeldempfänger schweißgebadet ihre Tanker durch die Karmelitengasse manövrieren, während der verzogene Nachwuchs auf dem Rücksitz mit dem Papst twittert. Doch seien Sie beruhigt, die Fahrgäste von Bus und Tram haben es nicht leichter, zumindest wenn sie am Rathausplatz auf ihren Anschluss warten müssen. Die satanische Mischung aus Glühwein-Miasmen und Weihnachtsliederbespaßung hat schon ganz andere nach einer Evaluation schreien lassen.

Gleiches Recht für alle also, für die Autofahrer, die ÖPNV-Sklaven und unseren eingangs erwähnten Nachtschwärmer, der übrigens kurz vor der rettenden Haustür noch ein Bier ausgegeben bekommen hat von drei freundlichen Mitbürgern mit Migrationshintergrund, die auf dem Parkplatz beim Alten Hauptkrankenhaus gerade euphorisch „Polska“ in den Schnee pinkelten. Das ist kein Wildpinkeln mehr, das ist Kunst, dachte er sich, bevor er versuchte, mit einem zackigen "Deutschland" nachzuziehen, doch dafür hatte nicht mal unser bestens betankter Alkoholendverbraucher genug Stoff. Die polnischen Kollegen konnten ihn aber beruhigen: "Liegt an Schnee", meinten sie, "nix gut für schreiben." – "Sag ich ja", erwiderte der Nachtschwärmer, "die mit ihrem scheiß Schnee!"