Kas – perl – am – pel ! ! !

Verfasst am: 01.01.2017 | Autor: Florian Kapfer

Nur eine kurze Frage ans Stadtmarketing: Was klein wollt ihr Augsburg eigentlich noch machen?

Es ist nur eine von vielen schönen Stellen in Nathan Hills Roman »Geister«, doch sie bleibt im Gedächtnis. Als eine seiner Protagonistinnen - eine talentfreie, aber skrupellose Studentin - in ihrem Mobiltelefon nach dem »Emoticon« für Zweifel sucht, verzweifelt sie buchstäblich daran. Dieses Gefühl ist nicht vorgesehen.

Wie gesagt, nur eine von etlichen treffenden Episoden. Der 38jährige Hill hat nicht zuletzt mit der Figur des Gouverneurs Packer den tatsächlichen »President elect« ziemlich genau erwischt – rund drei Monate vor der Präsidentschaftswahl. Doch selbst dieser prophetische Autor konnte nicht ahnen, dass die Geschicke des mächtigsten Staates der Welt nun aus dem »Trump-Tower« via Twitter-Mitteilungen gelenkt werden. Man stelle sich nur mal vor, Deutschland würde von Dieter Zetsche aus der Daimlerzentrale in Stuttgart regiert, von Heinrich Hiesinger aus der Villa Krupp oder von John Cryan aus dem Deutsche-Bank-Hochhaus.

Es ist längst ein Wettbewerb der Horrorszenarien geworden. Wie letztens eine US-Philosophin treffend bemerkt hat, liegt die Herausforderung mittlerweile darin, keine Gewöhnung einsetzen zu lassen, sich also jeden Morgen daran zu erinnern, dass der Alptraum nicht vorüber und auch nicht »nicht so schlimm wie befürchtet« ist.

Bleibt die Frage, über was man sich sonst noch so unterhalten kann mit seinem »Social Bot«. Politik scheidet aus, da ist die Software zu einseitig unterwegs, aber vielleicht erfindet irgendein netter russischer Hacker mal ein entsprechendes Computerprogramm für Kochrezeptseiten oder Fußballfanforen? Wundert mich sowieso, dass Red Bull Leipzig so was noch nicht im Angebot hat.

Also, mal ehrlich, da hat man doch keine Lust mehr! Ich unterhalte mich doch nicht lustig im Internet, wenn ich mir gar nicht mehr sicher sein kann, ob mein Gegenüber überhaupt ein Mensch ist. Da red ich doch lieber mit meinem Kühlschrank. Das hat schon Axel Hacke höchst erfolgreich mit seinem »Bosch« praktiziert. Oder ich quatsche mit der Yuccapalme, das hat sogar positiven Einfluss aufs Wachstum, heißt es. Oder noch besser: Ich rede mit meinem Nachbarn, meinen Kollegen, Kumpels, Partnern, Stadträten, Bundestagsabgeordneten!

Wobei, Kommunizieren will gelernt sein. Meistens sind es doch nur Pressemitteilungen in eigener Sache, was viele Zeitgenossen so raushauen. Als säßen wir den ganzen Tag in einer Talkshow und müssten uns damit profilieren, die Weltlage als Einziger zu überblicken schauen und sämtliche Urheber und Schuldige benennen zu können. Da lob ich mir doch unsere Stadtregierung: In der vorgezogenen Jahresendpressemitteilung war zwar vom »hohen Arbeitspensum« in der Referentenklausur im Allgäu die Rede, doch Konkretes blieb größtenteils außen vor. Stattdessen ein entspanntes Gruppenbild mit Dame, quasi Stadtspitze vor Bergspitze.

Blöderweise hat daheim in Augsburg der örtliche Fernsehsender die Abwesenheit der Chefs genutzt, um eine Idee zu propagieren, die unsere schöne Stadt auf einen Schlag in die Riege von Metropolen wie Meckenbeuren oder Durlesbach hieven könnte: Nach dem Mainzer Vorbild soll in der Nähe der Puppenkiste eine »Kasperl-Ampel« aufgestellt werden.

Nur eine kleine Frage ans Stadtmarketing: Was klein wollt ihr Augsburg eigentlich noch machen? Am Kö nervt ein von Pixar abgekupferter Miniroboter die Raucher und die »Kasperl-Ampel« soll nun tatsächlich der Regierung von Schwaben zur Genehmigung vorgelegt werden. Im Rest der Republik denkt man vermutlich eh schon, dass Kurt Gribl seine Ferien in der Datschi-Datscha auf Lummerland verbringt, Eva Weber in ihrer Freizeit im Fünffingerlesturm am Spinnrad sitzt und Dirk Schuster sein blaues Auge in Wahrheit vom Stoinernen Mann verpasst bekommen hat.

Der einzig passende Ort für eine »Kasperl-Ampel« ist vor dem Rathaus! Und bedient wird sie vom Wähler! Zefix! Wo war gleich wieder die Taste für Zweifel?

Im Bild: Die Referenten Dirk Wurm (Ordnung), Gerd Merkle (Bau), Thomas Weitzel (Kultur), Stefan Kiefer (Soziales), Reiner Erben (Umwelt), Eva Weber (Wirtschaft/Finanzen), OB Kurt Gribl, Hermann Köhler (Bildung); (Foto: Stadt Augsburg)