Dreimal um den Herkulesbrunnen

Verfasst am: 01.02.2016 | Autor: Florian Kapfer

Wie wohl die Maxstraße im Zeitalter der selbstfahrenden Autos aussehen wird?

Es gibt bisweilen auch noch gute Nachrichten. Mitte Januar hat Google eingestanden, dass es bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos nicht ganz so rund läuft wie bisher kommuniziert: Dreizehn Kollisionen konnten laut eines Berichts des Bayerischen Rundfunks im vergangenen Jahr nur durch ein Eingreifen des Fahrers verhindert werden, was schon angesichts der schicksalsträchtigen Zahl eine interessante Nachricht wäre.

Die noch schönere Meldung kommt aber von Mercedes-Benz. Der deutsche Autobauer dämpft ebenfalls die Erwartungen, dass wir uns allzu bald ohne eigene »Leistung« an den Gardasee kutschieren lassen können. Das Stuttgarter Wunderauto hat zum Beispiel Probleme, zu erkennen, ob Menschen an Straßenkreuzungen über die Fahrbahn gehen wollen oder nicht - und macht das einzig Richtige: Es bleibt stehen, bis die Passanten sich entfernt haben.

Ist das nicht herrlich? Die Fahrzeuge erkennen von selbst, was wir seit Jahrzehnten nicht wahrhaben wollen: In unmittelbarer Nähe zueinander sind tonnenschwere, hochmotorisierte und nur eingeschränkt kontrollierbare Maschinen und der so fragile und ebenfalls bisweilen unberechenbare Mensch ein nicht hinnehmbares Risiko, das allein in Bayern fast alle zwei Tage ein Fußgänger oder Radfahrer mit seinem Leben bezahlt. Bereits dafür sollte man dieses Auto ehrenhalber zum deutschen Verkehrsgerichtstag einladen. Jetzt die schlechte Nachricht: Computerexperten müssen nun mühsam dem armen Pkw beibringen, dass ein bisschen Gefahr akzeptabel ist, wenn Herrchen Semmeln holen will, und dass eben nicht jedes Herrchen gleich ein Herr ist, zumindest nicht, wenn es auf zwei Beinen unterwegs ist.

Wie wohl die Maxstraße im Zeitalter der selbstfahrenden Autos aussehen wird? Bei dem Begriff denkt man ja zunächst eher an endlose Highways im Silicon Valley, mindestens aber spärlich befahrene Autobahnen und Landstraßen im Sonnenuntergang. Wenn aber die Augsburger Innenstadt-Gigolos ihren BMWs irgendwann mal »dreimal um den Herkulesbrunnen« befehlen können? Wird sich der Computer wehren gegen sinnlose Fahrten?

Vermutlich eher nicht, aber so ein von »Sandra« liebevoll aus dem Navigationsgerät gesprochener Einwand wäre schon ganz reizvoll. Wahrscheinlich ist es sowieso genau das, was wir eigentlich wollen: Ansprache. Dass jemand nett mit uns redet, der keine wirkliche Macht hat, der uns mag, aber keine Ansprüche stellt – also kein Hund ist. Am besten das heißgeliebte Auto, weil ein Smartphone ja leider weder von der Ulrichskirche zum Moritzplatz heizen noch den Motor aufheulen lassen kann.
Komm, jetzt mal ehrlich, so ein KITT aus »Knight Rider«, noch besser Samantha aus dem Spike-Jonze-Film »Her«, wünschen wir uns doch alle. Die menschliche Maschine, die alles weiß, uns aber trotzdem mitspielen lässt. Die ungeachtet unserer offensichtlichen Blödheit so freundlich ist, uns das Gefühl zu geben, nicht das freudlose Ende, sondern das glitzernde Sahnehäubchen der selbstausgedachten Schöpfung zu sein.

Klar, es gibt Ausnahmen. Die CSM zum Beispiel. Die wollen so was nicht, glaube ich. Die wollen vor allem eines: ihre Ruhe. Wenn sich jemand schon Christlich Soziale Mitte nennt! Das klingt doch bereits wie Melodic Rock oder Analogkäse. Von der Augsburger CSU-Abspaltung hört man ja zum Glück eher wenig, aber letztens haben sich die drei Ritter der Dosenmilch mal wieder zu einer Pressemitteilung genötigt gesehen, um eine Wiedereinführung der Sperrzeit zu verlangen. Die Begründung ist bekannt: zunehmende Gewalt nach Alkoholmissbrauch, diesmal saisonbedingt erweitert um die beliebten Argumente Terrorgefahr und Überlastung der Polizeibeamten.

Mit einer Sperrstunde gegen den Terror? Echt jetzt? Da hören wir doch ein fröhliches »Gefällt mir« aus dem Kalifat. Gegenfrage: Was macht ein Polizeibeamter, der - was ja vorkommen soll - mal frei hat an einem Samstagabend? Yeps. Will der um zwei Uhr heimgehen? Nope. Polizisten sind nämlich auch nur Männer.

Und als Mann hat man es jetzt noch viel schwerer seit Köln. Was müssen sich die ganzen Rechtsausleger gefreut haben, als die Silvestervorfälle bekannt wurden! In Anlehnung an den Schahbesuch 1967 müsste man da fast von »Fummelpersern« sprechen, aber so leicht macht man es uns »Gutmenschen« selbstredend nicht. Das wäre auch nicht fair. Dann könnte man ja gleich auf Autopilot schalten – und das kriegt bekanntlich noch nicht mal Google hin.

Foto: Fabian Schreyer